FDP-Politikerin Katja Suding über Corona: “Für Betroffene steht ihre Existenz auf dem Spiel”

Kritische Beobachter Teil 2: Katja Suding

Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung befürwortet die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus. Kritische Stimmen sind dagegen selten. In dieser Reihe kommen sie zu Wort.

Von Madeleine Londene

Die FDP Politikerin und Mitglied des deutschen Bundestags Katja Suding sorgte mit ihrem Tweet: “Was ist das Leben wert, wenn wir uns die Freiheit nehmen lassen?” für verbalen Schlagabtausch. In einem Gespräch erklärt sie ihre Haltung zu den Maßnahmen der Bundesregierung.

Frau Suding, Sie haben mit ihrem Tweet für einen Shit-storm gesorgt – warum sind Sie gegen Ausgangsbeschränkungen?

„In der Corona-Krise wird tief in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger eingegriffen. Das ist leider notwendig und das unterstütze ich. Aber wir müssen sicherstellen, dass Maßnahmen geeignet und verhältnismäßig sind, um die Epidemie einzudämmen und Leben zu retten. Ich hoffe inständig, das gelingt. Die freiheitseinschränkenden Maßnahmen dürfen aber nicht dauerhaft bestehen bleiben. In einer freiheitlichen Gesellschaft darf und muss das offen darüber debattiert werden. Denn wir dürfen nicht übersehen, welche Härten diese Einschränkungen bedeuten.

Es geht nicht um’s shoppen und Freunde treffen

Was meinen Sie mit „Härten“?

Es geht nicht nur darum, dass Menschen nicht mehr shoppen gehen und Freunde treffen können. Das kann man eine Zeitlang aushalten, auch wenn es sicher schwerfällt. Es geht doch um viel mehr.

Können Sie mir das etwas genauer beschreiben? Worum geht es dann?

Was ist mit den Menschen in den Alten- und Pflegeheimen, die nicht verstehen, warum sie niemand aus der Familie mehr besucht? Ich denke an Menschen, die jahrelang gearbeitet haben, um sich und ihren Familien mit einem kleinen Geschäft eine Existenz zu sichern und die nun vor dem Nichts stehen. Die Gefahr von häuslicher Gewalt steigt an. Das belastet mich sehr und natürlich müssen wir uns jeden Tag fragen, wie man dieses Leid mindern kann. Für die betroffenen Menschen ist es unerträglich, wenn ihre Existenzen auf dem Spiel stehen, die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen aber nicht gestellt werden darf.

Die Gefahr von häuslicher Gewalt steigt an

Also stellen Sie eine funktionierende Wirtschaft über Menschenleben?

Natürlich kann man Menschenleben und wirtschaftliche Freiheit nicht gegeneinander aufwiegen, das wäre zynisch. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, brechen auch unser Gesundheits- und das Sozialsystem zusammen. Deshalb müssen wir beides zusammen denken, wir müssen die Gesundheit der Menschen schützen, dürfen aber nicht zulassen, dass die Wirtschaft kollabiert.

Wie genau wollen Sie das erreichen?

Dazu gehört, dass ausreichende Kapazitäten an Intensivbetten in den Krankenhäusern vorhanden sind, dass es genügend Schutzmasken für pflegendes und medizinisches Personal gibt und dass viel mehr getestet wird, damit Kranken geholfen wird und Ansteckung insbesondere von Risikopatienten minimiert wird. Dazu gehört aber auch, jede freiheitseinschränkende Maßnahme immer wieder aufs Neue darauf zu überprüfen, ob sie dem Zweck dient und ob sie verhältnismäßig ist. Wenn nicht, muss sie gelockert werden. Die Debatte muss sich auf belastbare medizinische Daten stützen, es müssen Modelle entwickelt werden und dann muss entschieden werden, was wann passieren muss. 

Welche Maßnahmen müssen in Ihren Augen noch ergriffen werden?

Noch werden die Grundrechtseingriffe von den allermeisten akzeptiert. Damit das so lange bleibt, wie die Maßnahmen notwendig sind, muss klarer kommuniziert werden als das bislang seitens der Bundesregierung der Fall war. Die Menschen wollen wissen, wie lange der Ausnahmezustand dauern wird, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit Maßnahmen gelockert, aufgehoben oder verschärft werden. Welche Maßnahmen sollen was erreichen? Die Menschen wollen wissen, wie und wann es weitergeht. Planbarkeit ist wichtig für die Akzeptanz der notwendigen Maßnahmen. Und die Grund- und Freiheitsrechte, die wir jetzt für eine Zeit lang aufgeben, müssen nach der Krise vollständig zukommen.“

Foto: voidstern/flickr/CC-BY-2.0

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